Die Rechtschreibreform, das Ei des Kolumbus oder Tüftelei für unterbeschäftigte Germanisten?

Nun, da sich Generationen von Schülern im deutschsprachigen Raum über die Rechtschreibung der deutschen Sprache geärgert hatten, trug es sich vor nicht allzu langer Zeit zu, daß sich einige Intellektuelle zusammenhäuften und eine Reform der Rechtschreibung beschlossen. Das Ergebnis ist ein Kuss, der den bis jetzt so beliebten Kuß ablösen wird, eine Dampfschifffahrt und ein gar ungriechischer Filosof (vielleicht sogar ein Intscheniör?). Doch stellt sich die Frage, ob diese Reform dem Schüler die erhofften Erleichterungen bringt. Denn wenn sich ein unbegabter Wurm bis jetzt nicht zwischen "das" oder "daß" (nach einem Beistrich) entscheiden konnte, so glaube ich nicht, daß ihm die Auswahl aus "das" und "dass" leichter fällt, da sich an der Problematik nichts ändert. Doch warum schreibe ich diese Zeilen? Auslöser war für mich ein kurzer Artikel in der Kronen-Zeitung (eigentlich peinlich, diese Zeitung als Quelle anzugeben) vom 12.06.1996, in dem steht, daß ein Rechtsprofessor aus Jena zwei Klagen und einen Antrag auf Aufschiebung der Rechtschreibreform eingebracht hat. Er ist der Meinung, daß eine Kommission oder ein Ministerium nicht das Recht hat, einem Menschen seine Rechtschreibung aufzuzwingen, sondern nur der Gesetzgeber. Nun stellt sich mir die philosophische (ich ziehe die alte Schreibweise vor) Frage, ob überhaupt der Gesetzgeber das Recht hat, eine Sprache oder eine Rechtschreibung vorzuschreiben. Sollte es nicht im Sinne der persönlichen Freiheit sein, daß sich jedermann seine Sprache und Rechtschreibung selbst aussuchen kann? Naja, wer weiß. Was aber wirklich diskutierbar wäre, ist die Frage, ob es überhaupt notwendig ist, Rechtschreibregeln so detailliert vorzuschreiben, wie es zur Zeit (und wahrscheinlich in alle Zeit) der Fall ist. Ich will hier nicht für eine Anarchie in der Rechtschreibung plädieren, sondern meine nur, daß eine gewisse Lockerung der Regelungen nicht schaden würde. Vor allem bei den häufig so strittigen Groß/kleinschreibungsfällen wie z.B. "vom Einzelnen zum Allgemeinen" oder "im dunkeln tappen", die in der deutsch/österreichischen Sprache wirklich keine Seltenheit sind, wäre es wohl kein Problem, einfach zu sagen, es ist egal, ob diese Phrasen groß oder klein geschrieben werden. Ich glaube, daran würde sich niemand stoßen, und dem Verständnis des Satzes schadet diese Idee wohl nicht. Das einzige größere Problem stellt sich hier nur den Deutschprofessoren, die eines gemeinen Instruments der Notengebung beraubt wären.

des

(Erik Stocker Juni 1996)